RBOKontakt

Wurzeln der Stiftung

Zum besseren Verständnis des Textes sei vermerkt, dass in der Fachsprache der damaligen Zeit geistig Behinderte auch als geistig Geschädigte, Schwachsinnige oder Oligophrene (graduell abgestuft als Debile und Imbezille) bezeichnet wurden.

Wurzeln der Stiftung reichen bis weit in das vergangene Jahrhundert in den Stadtbezirk Berlin – Lichtenberg zurück. Im Jahre 1954 schuf das Ministerium für Gesundheitswesen der DDR Vorkehrungen, die auch zur Erfassung von Kindern mit geistigen Störungen dienten. Es regelte zugleich die Betreuung von geistig Geschädigten der psychiatrischen Beratungsstellen auf Kreisebene. In Berlin-Lichtenberg übernahm die Beratungsstelle des Fachkrankenhauses für Neurologie und Psychiatrie (FK) diese Aufgabe. Sie sollte sich besonders um die Gruppe der Oligophrenen kümmern. Es handelte sich bei den Erfassten jedoch nicht um eine homogene Gruppe. Die Mehrzahl bestand vorerst noch aus Kindern im Vorschulalter. Sofern die Familien dieser Kinder in der Lage waren, sie zu betreuen, beschränkte sich die Hilfeleistung auf die ärztliche Versorgung und Beratung. Mütter, die wie die Mehrzahl der Frauen in der DDR, berufstätig waren und bleiben wollten, forderten jedoch auch eine Tagesbetreuung für ihre Kinder, mitunter auch eine Heimunterbringung. Diese Betreuungsformen wurden noch aus ganz anderen Gründen dringend erforderlich. Es galt, auch familiengelöste Kinder oder Kinder aus erziehungsuntüchtigen Familien zu versorgen. Schließlich waren schwerst-bettlägrig Geschädigte zu berücksichtigen. Die bestehenden Kapazitäten in Kliniken oder Heimen reichten dafür nicht aus. Seit den fünfziger Jahren schloss das FK Verträge mit konfessionellen Einrichtungen zur Aufnahme von 200 bis 300 Kindern und Jugendlichen. Das FK selbst eröffnete 1960 das Haus 11, einen geeigneten Flachbau für die Betreuung geistig geschädigter Kinder. Frau Dr. Blumenthal ist es zu verdanken, dass sie eine Tagesklinik im FK einrichtete, die besonders den Vorteil der Familiennähe besaß.

Geistig geschädigte Kinder im Schulalter, sofern sie nicht im damaligen Verständnis als schwerstgeschädigt, pflegebedürftig und bildungsunfähig galten, fanden in den fünfziger/sechziger Jahren in Berlin oft im C-Zug von Hilfsschulen Aufnahme. Diese Praxis unterband das Ministerium für Volksbildung 1968 durch einen Verwaltungsakt. Es galten fortan Kinder, die die Kulturtechniken, wie Lesen, Schreiben und Rechnen, nicht erlernen konnten, als schulbildungsunfähig. Die Auffassung, diese Kinder gehörten in die Obhut des Gesundheits- und Sozialwesens, rührte von der Weimarer Republik her. Sie wirkte noch in ganz Deutschland nach, obwohl sie nicht mehr zu rechtfertigen war. Deshalb ergriffen engagierte Eltern mit Unterstützung der Ärztin Dr. Gerda Jun in Lichtenberg die Initiative und bewirkten die Eröffnung spezieller erster Einrichtungen für diese Kinder in der Pfarrstraße 140 und in der Archenholdstraße 102, die später Fördereinrichtungen hießen. Sie nahmen zwar einen Platz im Rahmen der Institutionen des Gesundheits- und Sozialwesens ein, trugen ihrem Wesen nach aber einen pädagogische Charakter und standen unter der Leitung von Rehabilitationspädagogen. Die erste neu gebaute „Sonderkindertagesstätte" öffnete 1974 in der Volkradstraße in Berlin – Lichtenberg ihre Tore für 120 Kinder.

Frau Dr. Katzenstein hatte in den sechziger Jahren in Lichtenberg Vorläufer der späteren „Geschützten Werkstätten im Gesundheits- und Sozialwesen" und der „Geschützten Abteilungen in volkseigenen Betrieben" für hochgradig Behinderte eingerichtet.

Prof. Dr. Hagemann, der Ärztliche Direktor des FKs, kommentierte diese Entwicklung insofern mit Genugtuung, als sich damit progressive extramurale, d. h. klinikferne, Betreuungsformen für einen großen Teil geistig Geschädigter durchgesetzt hatten. Dafür trat nun eine weitere Kategorie Geschädigter in den Brennpunkt der Aufmerksamkeit, deren Betreuung dem FK zufiel. Sie führte zur Errichtung eines „Heimes für Geschädigte“ auf dem Gelände des FKs. Diese Einrichtung litt jedoch lange Zeit zum Nachteil der Bewohner unter den Auswirkungen des Missverhältnisses der Ansprüche an die Baulichkeit eines solchen Heimes und der de facto gegebenen Struktur sowie Ausstattung des verwendeten Typenbaus.

Angesichts der wachsenden Aufgaben, die auf dem Gebiet der Rehabilitation zur Erfüllung anstanden, schien es geraten, die vorhandenen Kräfte zu bündeln und einer Zersplitterung der begrenzten Ressourcen zu begegnen. Der Magistrat von Berlin (Ost) fasste deshalb 1978 den Beschluss zur „Verbesserung der Organisation der komplexen Rehabilitation" und begann Stadtbezirksstellen für Rehabilitation zu schaffen. 

Die Chronik zum Download.